Regulierung des Nervensystems: Der Ausstieg aus dem Drama
In diesem Artikel möchte ich dir eine persönliche Geschichte erzählen und damit zeigen, wie die Tools, die ich im Coaching anwende, um meinen Kundinnen weiterhelfen, auch im Alltag super hilfreich sind. Heute geht es um die Regulierung des eigenen Nervensystems und du wirst sehen, wie relevant das ist. Am Ende gebe ich dir eine konkrete Anleitung, die du direkt anwenden kannst, wenn es dir auch mal so geht.
Jetzt aber erstmal …
Die wahre Geschichte aus dem Leben einer Selbständigen
(Vielleicht erkennst du dich darin ja wieder …)
Ich bin heute Morgen schon mit einem angespannten Gefühl und rasenden Kopf aufgewacht. Der Wecker hatte noch nicht geklingelt, aber es war heiß im Schlafzimmer. Das verschwitzte Gefühl am Kopf und die warme Matratze hatten meine Stimmung nicht gehoben. Ich war irgendwie noch ziemlich platt, aber ich konnte nicht wieder einschlafen, also bin ich aufgestanden.
Es war klar, dass es viel zu tun gibt. Die To-Do-Liste von gestern war noch nicht fertig abgearbeitet und das nächste Thema stand bereits auf dem Plan.
Schon kam es zu Anspannung und Entscheidungsfrust: Mache ich das von gestern fertig oder gehe ich zu dem Termin, den ich Anfang der Woche mit Optimismus geplant habe?
Ich habe etwas zugesagt und möchte wirklich Content erstellen, aber die anderen Aufgaben sind auch wichtig. Irgendwie sind sie grundlegend, weil es da um den Abschluss des Vormonats und die Ausrichtung für das nächste Quartal geht. Aber der Content soll ja der Fokus im nächsten Quartal sein. Grrrr…. Zwickmühle! 😵💫 🤯 🙈
Ich beschloss, die Entscheidung später zu treffen und erst einmal in den Tag zu starten.
Was würde die Boss-Lady-Version von mir heute anziehen wollen? Was ist ein gutes Outfit, in dem ich mich wohl und gleichzeitig produktiv fühle? Wie würde die Boss-Lady-Version die Harre machen?
❌ Und hier ging alles schief! ❌
Es ist schon seit einiger Zeit so, dass ich mit meinen Haaren nicht richtig zufrieden bin. Ich habe mich zwar damit abgefunden, dass ich nicht die Bestimmerin über meine Haare bin, sondern mich dem fügen muss, was sie am jeweiligen Tag möchten, aber heute hat es so gar nicht gepasst. Alles war komisch und fühlte sich falsch an! Besonders im Hinblick auf den Plan, vielleicht Videos zu drehen, war hier noch mehr Druck drin. Es musste sich doch etwas machen lassen, dass nicht ganz furchtbar aussieht! Aber nein! Alles sieht schrecklich aus! Dazu kommt, dass die Frisuren in echt ganz anders wirken als auf der Kamera. URGH!!
Mittlerweile wurde es immer später und der Frust immer größer. Es schien keine gute Lösung zu geben….
Früher war das der Punkt, an dem ich aus Verzweiflung angefangen habe, an meinen Haaren zu ziehen, mir so auch noch selbst weh getan habe und irgendwann flog mit einem Fluch die Haarbürste durch die Gegend. Heute weiß ich, dass das auch nichts hilft und frage mich “Was würde eine Version von mir tun, die nicht gerade so getriggert ist?”
Dann fällt mir ein, dass diese innere Unruhe und Angespanntheit ein Zeichen für ein unreguliertes Nervensystem sind. Embodiment ist hierfür ein tolles Tool. Also habe ich angefangen, mich zu schütteln und so all die unschönen Gefühle durch mich bewegt und mein Nervensystem beruhigt. Das bringt Erleichterung und macht mich ruhiger.
Am Morgen aus meiner Geschichte war ich dann wieder so reguliert und ruhig, dass ich die Haare hab Haare sein lassen und mich der Contenterstellung zuwenden konnte. Ein Teil dieses Blogartikels ist an dem Morgen dann einfach so aus mir herausgeflossen 🥳 und der Rest des Tages verlief auch ziemlich gut.
Was war der magische Punkt und wie kannst du das nutzen, um dich aus solchen Situationen rauszuholen?
Wenn unser Hirn so auf das Problem und die tausend Dinge, die falsch laufen, fokussiert ist, sind wir nicht mehr mit dem rationalen Teil (Großhirn) online. Lösungen finden ist nicht möglich, wenn wir ein Triggerfest feiern und alles in uns angespannt ist. Mehr ziehen, sich mehr anstrengen und noch doller versuchen, die Situation zu lösen, bringt leider NICHTS.
In der beschriebenen Situation ging es schon lange nicht mehr nur um die Haare. Der Tag hatte komisch gestartet und das schlechte Gefühl hatte sich ausgeweitet und übernommen. Aus “Es war heiß, ich fühlte mich unwohl und die Haare sind nicht so, wie ich es mir vorstelle” wurde “Ich kann keinen Content erstellen, wenn ich für die Kamera nicht angemessen aussehe”, “Ich habe gar keinen Bock zu dem Termin zu gehen – am besten lasse ich heute alles sein”, “Wenn ich heute alles sein lasse, komme ich wieder nicht dem näher, was ich mir vorgenommen habe und mir eigentlich wichtig ist” – “Alles ist ätzend!”
So oder so ähnlich ist eine richtig schöne Abwärtsspirale, die alles in ihren dunklen Bann zieht und aus der es gar nicht so einfach ist, wieder rauszukommen.
Das kennst du bestimmt auch, oder?
Mit positiven Affirmationen und sich selbst zu erzählen, es sei doch nicht so schlimm, kommt man da in den meisten Fällen nicht raus!
Wenn ich mir vorstelle, in einer solchen Situation zu sagen “Ich hab die Haare schön”, werde ich jetzt schon wieder wütend! Denn auch wenn ich weiß, dass ich grundsätzlich schöne Haare habe, ist es in dem Moment KEINE Hilfe! Es ist nicht so, wie ich will, ich bin unglaublich getriggert und habe ein Expressticket für die Scheißigkeitsspirale gekauft! Erzähl mir nicht, es sei alles gut, denn ich FÜHLE ja im ganzen Körper, dass es Kacke ist!
Das sind die Trigger. Die lassen sich meistens nicht weg reden oder affirmieren. Diese Energie muss erst einmal wohin. Und da kommen Embodiment und Schütteln ins Spiel: Sie bewegen die Energie durch uns hindurch und helfen uns, unser Nervensystem zu regulieren. In dem Moment erlauben wir, dass alles, was da ist, da sein darf und geben den Gefühlen Raum. Dadurch kann es sich verändern.
Oft genug versuchen wir, die schlechten Gefühle “weg zu machen” oder loszuwerden. Wir wollen nicht, was sich schlecht anfühlt. Es soll einfach aufhören. Aber wenn wir einmal auf die Fahrt aufgestiegen sind, ist es super schwer bis unmöglich auszusteigen. Also ist es wichtig, sich erst zu regulieren und DANN können wieder Lösungen gefunden werden.
Übrigens: Wusstest du, dass intensive Emotionen meist nach 90 Sekunden schon wieder abflauen? Der Versuch, die Dinge zu unterdrücken bringt mit sich, dass es länger bleibt und anstrengend wird. Wenn wir es einfach fließen lassen würden, wären die Emotionen manchmal nur halb so schlimm.
Und jetzt zum Praktischen Teil
Zunächst möchte ich ein paar allgemeine Hinweise geben: Wie die Regulierung am besten funktioniert, ist von Mensch zu Mensch und Situation zu Situation unterschiedlich. Es kann hilfreich sein, sich über die Atmung zu regulieren oder sich zu erden. Wenn man aber so aktiviert ist, wie ich es war, hilft es vielleicht gar nicht mehr, tief zu atmen. Da ist dann so viel Energie im Körper, dass sie erst einmal durch muss. Und das geht gut über Bewegung und Ausagieren: Schütteln, auf der Stelle rennen, ein Kissen auf den Boden werfen, stampfen, mit den Händen gegen die Wand drücken oder den Abfuck in freien Bewegungen verkörpern. Das geht mit Musik oder ohne – beides hat seine Vorteile.
Da es so ein komplexes und weitreichendes Thema ist, werde ich hierzu sicher noch mehrere Artikel schreiben, denn die Regulierung des Nervensystems ist ein integraler Teil meiner Arbeit geworden und ich profitiere selbst auch unglaublich von diesem Tool!
Und trotzdem möchte ich dir – wie zu Anfang geschrieben – gern etwas Handfestes zum Ausprobieren mitgeben. Heute bekommst du also die erste Anleitung von mir. Sie ist für die Fälle, wenn es dir so geht wie mir an diesem Morgen: Wenn du mal ein Expressticket für die Scheißigkeitsspirale gekauft hast und am liebsten alles gegen die Wand feuern würdest.
Hier ist die Anleitung für dich
Gehe die folgenden Schritte durch*
- Nimm den Ärger und Aufruhr in dir wahr!
- Erlaub den Gefühlen, da zu sein. (Du bist schon auf der Spirale, wegdrücken geht nicht mehr.)
- Sag dir: “Okay – ich bin gerade super angepisst und wütend! Vielleicht nervt es mich auch noch dazu, dass ich wütend bin. Und: Das darf gerade alles da sein.”
- Nimm dabei tiefe Atemzüge. (Du musst dich nicht beruhigen, sondern es geht darum, in deinem Körper anzukommen und wirklich zu SPÜREN, was hier los ist.)
- Spüre deinen Körper. Fühl, was in dir vorgeht. Kribbelt es? Zuckt es? Zieht sich was zusammen? Wo nimmst du das wahr?
- Stell dich schulterbreit hin und erforsche, was dein Körper gerade will. Es kann sein, dass du erstmal eine große Anspannung spürst. Erlaub ihr da zu sein und verkörpere sie, indem du deine Muskeln anspannst und die Fäuste ballst. Atme weiter! Wenn es keine Anspannung gibt, die sich so zeigen will, geh zum nächsten Schritt.
- Atme weiter und beginn, langsam aus deinen Knien heraus zu wippen, sodass dein ganzer Körper in Bewegung kommt.
- Schüttle auch deine Arme und Hände.
- Schüttle in deinem Tempo – vielleicht erst langsam und dann schneller und intensiver werdend, vielleicht gleich schon schnell.
- Und ERLAUBE den Gefühlen, sich durch deinen Körper zu bewegen.
- Sprich laut aus, wie du dich fühlst. Sag zum Beispiel “Ich bin total angenervt und wütend!” und schüttle weiter.
- Folge den Impulsen deines Körpers – vielleicht will er die Arme mal zur Seite schütteln oder das Schütteln in bestimmt Körperbereichen fokussieren (Schultern, Hüfte etc.).
- ATME und ERLAUBE, dass sich das, was du fühlst, verkörpert und durch dich fließt.
- Wenn es sich für dich gut anfühlt, kannst du beim Ausatmen auch einen Ton kommen lassen. Unsere Stimme ist so ein kraftvolles Instrument zur Regulierung.
- Schüttle dich 5 bis 10 Minuten und lass es dann langsamer werden und komme dann zum Stillstand.
- Atme weiter tief und spür in dich hinein. Wie geht es dir jetzt?
Meist hat sich die angestaute Energie nach ein paar Minuten schon bewegt und es fühlt sich anders an. Das Großhirn ist wieder online und wir können buchstäblich mit einem klareren Kopf auf die Sache schauen. - Frage dich zum Abschluss noch, was dir noch guttun würde und wenn es möglich ist, folge dem Impuls und tu dir was Gutes.
*Disclaimer: Bitte achte bei solchen Übungen gut auf dich! Dein Wohlbefinden und deine Einschätzung der Situation sind der Richtwert. Falls du unter gesundheitlichen oder psychischen Erkrankungen leidest, die davon getriggert oder beeinflusst werden können, mache diese Übung nicht ohne Abstimmung mit deine*r Ärzt*in, Heilpraktiker*in oder Psychotherapeut*in. Die Durchführung und Verantwortung für die Übung liegen in deiner Verantwortung.
Ich hoffe, diese Übung ist für dich hilfreich und bringt dir in aufgeregten Situationen mehr innere Ruhe und einen klaren Kopf.
Falls diese Übung nicht das Richtige für dich war, findest du vielleicht in einem der nächsten Artikel das Richtige für dich…